Als ich ihre Wohnung betrete, bin ich überrascht. Es ist laut, überall grelles Licht, buntes Chaos. Sie ist aufgedreht, läuft aufgeregt umher. Sie hat sich ausstaffiert, ausgehfertig und auch wenn sie es nicht ausspricht, erahne ich eine Veränderung in ihrem Leben. Ihre Kleidung ist ungewohnt. Ungewohnt bunt, ungewohnt aufreizend. Ihr Haar ist frisch frisiert, ihr Gesicht geschminkt. Ich hole unseren gemeinsamen Sohn ab. Auch er spürt eine vage Veränderung, erahnt vielleicht sogar, dass er seine Mama demnächst teilen muss. Wir verlassen wortlos die Wohnung.
Ortswechsel. Wir sind in die Innenstadt gefahren. Inmitten des Wirrwarrs aus Asphalt bleiben wir auf einer Fußgängerinsel stehen. Eine Insel inmitten eines grauen Meeres. Um uns herum rauscht der Verkehr vorbei. Wir warten vor den roten Fußgängerampeln, als ich plötzlich bemerke, dass sich der Schnürsenkel einer meiner Halbstiefel gelockert hat. Ich beuge mich hinunter, verknote die Enden des Schnürsenkels und höre gleichzeitig meinen Sohn. Ich solle mich beeilen. Wahrscheinlich ist die Fußgängerampel zwischenzeitlich grün geworden. Als ich mich wieder aufrichte, ist mein Sohn verschwunden. Ich sehe ihn nirgends, vermute aber, dass er über die grüne Fußgängerampel auf die andere Straßenseite gelaufen ist. Doch ich sehe ihn nirgends. Ich blicke mich um, drehe mich auf der Fußgängerinsel in alle Richtungen. Doch ich erblicke meinen Sohn nirgends. Der Straßenverkehr braust in allen Richtungen an mir vorbei. Ich beginne nach meinem Sohn zu rufen. Mein Hals schmerzt. Seit Jahren tut er dies. Sprechen strengt mich an, lautes Rufen und Schreien noch mehr. Ich rufe krächzend nach meinem Sohn, bemerke, dass ich kaum einen Ton herausbringe. Nichts. Ich spüre Panik in mir aufkommen. Ich rufe, blicke in alle Richtungen. Nichts. Mein Sohn ist spurlos verschwunden. Vielleicht in ein Auto gezerrt worden, entführt. Tränen der Panik laufen über mein Gesicht. Die Polizei, ich muss die Polizei informieren.

Dann wache ich auf.